„Als wäre eine Theken-Mannschaft deutscher Meister geworden“

Der Sieg des Teams The Fat and the Furious ist ein besonderes Märchen - Mit einer halben Tonne Kampfgewicht an den Start gegangen

Anzeige (Markant Ellwürden)

Am 22. Februar 2021 habe ich meine Freunde, mit denen ich normalerweise ins Fußballstadion fahre, gefragt, ob sie nicht mit mir an der Frühjahrs-Laufchallenge teilnehmen möchten. Noch am selben Tag hatte ich eine fünfköpfige Truppe zusammen, habe sie aber noch nicht angemeldet. Aus gesundheitlichen Gründen musste einer kurz vor Anmeldeschluss absagen. Als Nachrücker konnten wir aber Michael Taylor überzeugen. Benjamin Renken, Sven Ullrich, Michael Taylor, Arne Pauls und Delf Milde sind „The Fast an the Furious“. In der WhatsApp-Gruppe kam der berechtigte Einwand, dass wir gar nicht so „fast“ sind sondern eher in Richtung „fat“ tendieren.

The Fat and the Furious sollte also unsere Lauftruppe heißen. Mit einem stolzen Kampfgewicht von 510 Kilogramm, also mehr als eine halbe Tonne, gingen wir an den Start. Wer genau Fat und wer Furious ist, ist jedem Leser selbst überlassen.

Nur wenig mit Sport zu tun

Natürlich hat man als mehr oder weniger ehrgeiziger Sportler auch seine eigenen Ziele. Mein Ziel war jeden zweiten Tag 10 km zu laufen. Am Ende der Challenge hätte ich somit 150 km auf der Uhr. Außerdem hatte ich noch ein geheimes Ziel, von dem ich meiner Gruppe nichts erzählt habe: Ich will nicht Letzter werden in meiner Gruppe.

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Dass ich Delf Milde überreden konnte, hat mich sehr gefreut. Denn seit Beginn der Corona-Pandemie hatte er, ähnlich wie ich, mit Sport nicht mehr viel am Hut.

Michael Taylor der Motivator

Uns war natürlich klar, dass Michael Taylor die meisten Kilometer von uns abreißen würde, er sah sich in dieser Gruppe aber eher als Motivator und wollte seinen normalen Trainingsplan durchziehen. Ich darf vorwegnehmen, dass er die Rolle als Motivator sehr gut ausgefüllt hat. Jeder der einmal beim Bauernhof Bootcamp war, weiß, dass Michael ziemlich penetrant sein kann, wenn es um Sport geht.

Direkt am ersten Tag der Challenge hat Delf mein geheimes Ziel der Challenge zerstört. Er ist direkt einen Halbmarathon gelaufen. Ich dachte, dass ich vielleicht Sven schlagen könnte, aber nicht weil ich fitter bin, sondern einfach mehr Motivation und Biss habe als er. Da die ständigen Motivationsreden von Michael, aber auch von den anderen in der Gruppe, ihn wohl getroffen haben, war auch Sven für mich nach wenigen Tagen nicht mehr einzuholen.

Zwei Wochen lang auf Platz 4

Beim ersten Zwischenergebnis waren wir auf Platz 4. Deutlich über unseren eigentlichen Ansprüchen, denn insgeheim haben wir gehofft in den Top 15 zu landen.

Ohne größere Verletzungen und Wehwehchen ging es in die 2. Woche. Trotz Schnee, Wind Hagel und Dauerregen haben wir alle unser Pensum abgespult und konnten den 4. Platz verteidigen.

Rennen gegen die Kühe gewonnen

Auch diese Platzierung hat uns motiviert weiterzumachen und einfach nicht aufzugeben. Gerade bei Delf haben wir alle nur auf den Einbruch gewartet, aber er ist wie eine Maschine fast jeden Morgen um 05:30 Uhr gestartet und hat unglaublich viele Kilometer gemacht. Sven, dem in der vergangenen Challenge mangelnde Motivation vorgeworfen wurde, lief ebenso wie Benjamin regelmäßig Halbmarathon und ich habe mein geheimes Ziel endgültig an den Nagel gehangen. Ich musste mich nach anderthalb Wochen mit dem letzten Platz anfreunden. Ich wollte aber auch nicht „die Bremse“ sein, die den Jungs eine bessere Platzierung versaut und bin mehr gelaufen als mein ursprünglicher Plan es vorsah.

Ich quälte meinen wohlgeformten Körper regelmäßig durch die Wisch und wurde von Anwohnern ähnlich skeptisch beäugt wie von den Kühen, die mich manchmal zum Wettrennen herausforderten. Da deren Weide vor der imaginären Ziellinie mit einem Graben endet habe ich jedes Rennen gewonnen.

Plötzlich auf Platz 2 – Aber noch 250 Kilometer Rückstand

Auf einer neuen Route bin ich dann 12 km gelaufen. Mein persönlicher Rekord, was von nun an aber auch mein neuer Standard sein sollte.

Bei der nächsten Zwischentabelle standen wir plötzlich auf Platz 2. Allerdings ohne große Ambitionen, die Erstplatzierten angreifen zu können, die ca. 250 km vor uns waren. Am nächsten Tag bin ich das erste Mal abends gelaufen und spürte nach drei Kilometern „heute geht was“. Ich lief meine 12-km-Runde und bin anschließend nicht nach Hause abgebogen sondern tiefer in die Wisch gelaufen. Nach 16 km war ich eigentlich platt, dachte aber die ganze Zeit: „so viele Leute sind Halbmarathon gelaufen, du kannst das auch und wenn nicht heute, wann dann?“

Arnes erster Halbmarathon

Ich lief weiter und es war nur noch Quälerei. Da ich eigentlich nur meine gewohnte Strecke laufen wollte, hatte ich keine Beleuchtung dabei. Mir wurde im Nachhinein gesagt, dass man meine Schweißflecken auf meinem grünen Pullover schon aus weiter Entfernung gut sehen konnte. Ich schaffte auch die letzten 5km und kam völlig platt zu Hause an. Mir war kotzübel und extrem kalt. Aber ich habe es durchgezogen – das was meine Teamkollegen regelmäßig gemacht haben.

Allen taten die Beine und Knie weh, aber Michael hat unsere dicken Hintern immer wieder auf den Asphalt gequält.

Deutschland gegen England: Einer gegen den Rest

Aber wir konnten auch Michael pushen. Man muss ihm nur einem sportlichen Anreiz geben. Wir haben also zwischendurch „Deutschland gegen England“ gespielt. Michael musste alleine so viel laufen, wie drei von uns. Ja, er hat einige Tage gewonnen, an anderen Tagen hat diese interne Challenge aber auch uns motiviert, noch einmal ein paar Extrarunden zu drehen.

Vor der letzten Woche waren wir nur noch 114 km hinter Platz 1. Es folgte die wohl sportlich intensivste Woche von uns allen. Benjamin ging teilweise drei Mal täglich laufen und spulte regelmäßig 30 km ab. Sven hat herausgefunden, dass er auch zu Fuß seine Eltern besuchen konnte und lief mehrfach von Schweiburg nach Seefeld. Immer wieder betonte er, dass ihm alles weh tut. Ein zärtliches „Shut up you pussy and keep going“ von Michael brachte Sven dann aber wieder in seine Laufschuhe. Delf lief mit seiner unnachahmlichen Lauftechnik nach Rodenkirchen und zurück und ich stampfte weiter durch die Wisch und war mittlerweile mit über 100km Abstand auf dem letzten Platz meiner Gruppe.

Final-Showdown am letzten Tag der Challenge

Wir haben herausgefunden, dass der letzte Tag der Challenge tatsächlich der Final Showdown werden würde. Wir waren annähernd gleichauf mit dem Olenex Running Team auf Platz 1. Das Team mit über einer halben Tonne Kampfgewicht zu Beginn der Challenge kämpft um Platz 1. Eigentlich eine unglaubliche Geschichte. Nie hatte ich so eine aktive WhatsApp-Gruppe, in der man sich gegenseitig motiviert, um laufen zu gehen.

Michael zog natürlich lange nicht mehr nur seinen Trainingsplan durch, sondern hatte längst Anja Immens als heimliche Konkurrentin auf dem Radar. Die beiden lieferten sich ein Fernduell um die meisten Kilometer. An einem Wochenende ist Michael tatsächlich 140km gelaufen, so viel wie ich in zweieinhalb Wochen. Er wollte es zwar nie so richtig zugeben, aber er wollte die meisten Kilometer haben. Im Endeffekt konnte er das Duell für sich entscheiden und bat mich an dieser Stelle Anja Immens größten Respekt zu zollen.

Vollgas am letzten Tag

Der letzte Tag war für uns alle der absolute Hammer. Benjamin startete um 09:00 Uhr, kam gegen 11:00 Uhr bei mir an und machte tatsächlich eine kurze Raucherpause. Wir verabredeten uns um 12:00 Uhr zum Laufen. Benjamin ist in der Zwischenzeit natürlich weitergelaufen, während ich noch das köstliche Frühstück von meinen Schwiegereltern verdauen musste. Selbstverständlich bin ich dorthin gelaufen. Benjamin und ich sind dann meine 12km-Runde gelaufen. Habe ich ihm zumindest gesagt. Insgeheim habe ich die Strecke aber verlängert, sodass wir am Ende auf 16km gekommen sind.

Damit habe ich aber nicht nur Benjamin verarscht, sondern auch mich selbst. Benjamin hat somit das erste Mal in seinem Leben an einem Tag die Marathondistanz geschafft, was wir auch schnell mit einem Bier zelebriert haben. Er hatte zwar eine kleine Pause während seines Marathons, aber er ist ja auch nicht Michael Taylor. Der Verrückte hat über 70km abgerissen. Eine Strecke von hier bis deutlich hinter Oldenburg.

Laufen bis zum Erbrechen

Sven ist auch durch die Abbehauser Wisch gelaufen und hat es insgesamt auf über 30km am Finaltag gebracht. Ich bin mit zwei Laufeinheiten 22km gejoggt, ebenfalls persönliche Bestleistung. Und Delf? Delf ist stundenlang gelaufen und hat auch noch 38km auf die Uhr gepackt. Dass er zwischendurch Sterne vor den Augen hatte und sich sein Mittagessen noch einmal durch den Kopf gehen lassen hat, konnte ihn nicht aufgehalten.

Kurz vor 22 Uhr hat Benjamin noch seine Schnapszahl 444km erreicht, indem er noch 4km auf dem Laufband gelaufen ist. Als Team haben wir an diesem Tag völlig verrückte 220km abgespult. Eine Distanz die wir uns vorher nicht einmal erträumt haben.

Kampfgewicht nun deutlich unter einer halben Tonne

Um 23:28 Uhr kam dann das Endergebnis. Hätte man mir dieses Ergebnis am 01.04. prognostiziert, hätte ich es für einen ganz billigen Aprilscherz gehalten. Wir haben mit 28km Vorsprung den 1. Platz erreicht. Wir Dicken, die zwischendurch joggen gehen, weil man gerade keinen Mannschaftssport betreiben kann. Wir, die eher Richtung „fat“ als in Richtung „fast“ neigen. Wir, die mit Michael Taylor in einem Team waren, der uns immer wieder getreten und der mit 1040km natürlich den Löwenanteil an diesem Sieg hat. Doch auch er hätte ohne unsere Kilometer nicht gewonnen.

Etliche Glückwünsche

Unser Kampfgewicht ist nun deutlich unterhalb einer halben Tonne. Alleine Delf hat von März bis Ende April über 20kg verloren und eine Goldmedaille gewonnen.

In den Folgetagen und auch während der Challenge haben wir unzählige Nachrichten und Glückwünsche erhalten, die ich euch nicht vorenthalten möchte.

Bis zum nächsten Mal

Pauli

Euer Sieg ist so wie wenn sich eine Thekenmannschaft in der Bundesliga anmeldet und Deutscher Meister wird. Das meine ich als Lob! – Mätty Kemper

Delf sieht aus als hätte er durchgehend einen Schlaganfall beim Laufen – Niklas Budde über Delf Milde nach 473km

Wieso läuft man von hier bis in die Schweiz? Meine Mutter (Hilke Fechner) über Michael Taylors 1040km

Lauf mal bisschen geschmeidiger, meine Gläser klappern im Schrank wenn du vorbei läufst – Fynn Roth über mich.

Sven hat letztes Mal aufgehört, weil seine rechte Achsel wund war – Fenja Fischer über Sven „übermotiviert“ Ullrich

Deine Schweißflecken reflektieren gut unter den Straßenlaternen – Denis Hahnel über mich, kurz vor Ende meines Halbmarathons

Teilweise habe ich davon geträumt, dass ich noch dringend Laufen gehen muss – Benjamin träumt von Michaels Sprachnachrichten

 

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